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Rahmen

Bei der Vielfältigkeit unterschiedlicher Ausgestaltungsmöglichkeiten einer BO-Messe wird deutlich, dass der Kontext eines Messebesuches sowie dessen pädagogische Einbettung in den Gesamtkontext der Beruflichen Orientierung ausschlaggebend für dessen Zielgerichtetheit und Wirkung sind.

Beim Besuch bzw. der eigenen Ausgestaltung einer BO-Messe sollten Dauer und Zeitpunkt nicht unbeachtet bleiben. Empfohlen werden Messen, die sowohl einen individuellen Zugang jedes einzelnen Jugendlichen als auch einen Besuch im Klassenverband ermöglichen. Dies wird im Regelfall durch die Messedauer gesteuert. So finden einige Messen an Werktagen und an Wochenenden statt (Bsp. Fr/Sa). Der Vorteil hierbei liegt darin, dass zum einen ganze Schulklassen eine Messe besuchen können (und sie damit zu einer von der Schule geplanten BO-Maßnahme werden kann), aber auch interessierte Jugendliche (z.B. mit ihren Eltern) in der schul- und arbeitsfreien Zeit individuell einen Messebesuch absolvieren können.

Bei schuleigenen oder von mehreren Schulen gemeinsam organisierten Messen sollte darauf geachtet werden, dass das Branchen- und Unternehmensspektrum der Aussteller nicht zu klein und zu lokal ausfällt. Der Vorteil solcher Messen liegt u.a. darin, dass ein schuleigenes Begleitprogramm „gestrickt“ werden kann, was eine zusätzliche BO-Maßnahme impliziert, z.B. eine Modenschau der Schüler:innen mit Berufsbekleidungen, Vorträge oder Präsentationen etc.

Die Vor- und Nachbereitung eines Messebesuches trägt entscheidend zu dessen Erfolg bei. So empfiehlt es sich, bereits im Vorfeld über ein Ausstellerverzeichnis potenziell interessante Gesprächspartner (Unternehmen/Aussteller) zu identifizieren und z.B. eine Online-Recherche zum Unternehmen vorzunehmen sowie sich Fragen zu notieren, die im Messegespräch erörtert werden.  

Weniger bewährt haben sich allgemeine Aktivitätsnachweise, die durch die Schüler:innen in quantitativer Form während einer Messe erbracht werden sollen (z.B. Erbringen eines Gesprächsnachweis von mind. 2 Unternehmen, mit denen ein Gespräch geführt wurde, durch die Quittierung eines Unternehmensstempels). Vielmehr sollte auf die Qualität abgezielt werden –  mit zu beantwortenden Fragen, wie:

  • Was waren die Inhalte der Gespräche, die du geführt hast?
  • Welche Fragen konntest du klären?
  • Welche Fragen sind offen geblieben?
  • Welche Schlussfolgerungen ziehst du daraus?
  • Was sind deine nächsten drei Schritte in dieser Sache?

 

Vereinzelt existieren Elterninitiativen, die z.B. über die Organisationsform eines Schulvereins BO-Messen organisieren und Berufsbilder sowie Unternehmen vorstellen, in denen sie selbst tätig sind. Dies kann z.B. flankiert werden durch Vorträge oder Diskussionsrunden über die beruflichen Werdegänge der Eltern, also der Aussteller. Dieses Format birgt neben einigen Vorteilen, wie z.B. der aktiven Einbeziehung der Erziehungsberechtigten/Bezugspersonen der Jugendlichen in den BO-Prozess, auch die Herausforderung, dass z.B. an Gymnasien bevorzugt akademische Berufe vorgestellt werden, da Jugendliche aus akademischen Haushalten eher das Gymnasium besuchen als Kinder aus nichtakademischen Haushalten –  eine selbstbestärkende Spirale, die für einzelne Jugendliche nachvollziehbar erscheinen mag, aber gesamtgesellschaftlich zur Verschärfung des Phänomens der Akademisierung beitragen kann.        

Gelingensbedingungen für einen wirkungsvollen Messebesuch:
  • Ist die Messe mit den Jugendlichen im Unterricht gut vorbereitet? Gibt es begleitende Aufgabenstellungen? Wird die Messe im Unterricht bzw. im nachfolgenden BO-Prozess gut nachbereitet?
  • Ist die Messe sowohl für den Individualbesuch als auch für den Besuch im Klassenverband geeignet?
  • Stellen die Aussteller einen guten Querschnitt der Ausbildungs- bzw. Studienmöglichkeiten dar?
  • Stellen die Aussteller auch überregionale Angebote dar?
  • Wie interaktiv ist die Messe? (Gibt es Möglichkeiten, sich selbst auszuprobieren?)
  • Bietet die Messe ein interessantes Begleitprogramm für alle Teilnehmer:innen?
  • Ist eine möglichst leichte und kostengünstige Erreichbarkeit des Messestandortes gewährleistet?

 

Im Rahmen einer Berufsorientierungsmesse können Jugendliche Impulse und Anregungen für ihr späteres Berufs- und Arbeitsleben erhalten (im Sinne von: „Ah so etwas gibt es auch?! Sehr interessant für mich.“). Im Regelfall aber ergibt es Sinn, mit konkreten Vorstellungen oder zumindest Fragestellungen eine solche Messe aufzusuchen. Daraus ergeben sich zwei Erkenntnisse.
Zum einen sollte der Berufsorientierungsprozess bereits fortgeschritten sein. Maßnahmen wie z.B. erste Praktika, Betriebsbesichtigungen/Exkursionen, das Kennenlernen eigener Stärken und Interessen, Einblicke in die Welt der Wirtschaft, Rechercheaufträge, Kommunikationsübungen usw. sollten einem Messebesuch vorangestellt werden. Ein Messebesuch kann frühestens ab Jahrgangsstufe 8 empfohlen werden, kann aber in jedem Fall ein Instrument der Beruflichen Orientierung in der Vorabgangsklasse sein. Auch wenn die einschlägigen Jugendstudien aufzeigen, dass Jugendliche im Rahmen der Informationsbeschaffung eher nicht sehr stark auf BO-Messen setzen , lässt sich dieser Befund relativieren, wenn ein Besuch der Messe, z.B. gemeinsam mit den Eltern oder anderen Bezugspersonen möglich ist, die in der Rangfolge der Informationsbeschaffung weiter oben bei den Jugendlichen stehen.
Zum anderen ist eine intensive Vor- und Nachbereitung (siehe: Umsetzung) essenziell. So kann die Wirkung einer Messe z.B. durch eine anschließende Aufbereitung der gewonnenen Informationen in Form einer Präsentation inklusive eines individuellen „Fahrplanes“ (Welche Handlungen leiten sich aus den gewonnenen Informationen individuell ab? Was sind die jeweiligen nächsten drei Schritte?) vertieft werden.  

(Quellen zu den erwähnten Jugendstudien:
1) SINUS-Jugendstudie 2020, Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14-17 Jahren in Deutschland; M.Calmbach/B. Flaig/J. Edwards/H. Möller-Slawinski/I. Borchard & C. Schleer; Bundeszentrale für politische Bildung; Bonn 2020; ISBN: 978-3-7425-0531-6
2) Die McDonald’s Ausbildungsstudie 2019; Eine Repräsentativbefragung junger Menschen im Alter von 15 bis unter 25 Jahren; Kinder der Einheit, Same same but (still) different!; K.Hurrelmann, R.Köcher & M.Sommer; Hrsg.: McDonald’s Deutschland LLC; Zweigniederlassung München 2019; Institut für Demoskopie Allensbach.)

In Kombination mit weiteren BO-Maßnahmen (z.B. Arbeit mit dem Portfolio oder Erstellung von Bewerbungsunterlagen) können Berufsorientierungsmessen ein wertvoller Bestandteil des BO-Prozesses sein.  

 

Gesetzliche & administrative Vorgaben

Die Teilnahme an Messen zur Beruflichen Orientierung ist für Schüler:innen empfohlen.
Eine Verpflichtung für Jugendliche oder Schulen zur Teilnahme an einer Berufsorientierungsmesse ist nicht vorhanden.

 

Autorenkennzeichnung
Jörg Friese
Universität Rostock, Institut für Berufspädagogik
16. August 2024