Freie Berufswahl – eine Selbstverständlichkeit?
Ein Blick zurück in die Menschheitsgeschichte offenbart:
Sich frei und unabhängig für einen Lebensweg zu entscheiden, ist ein Privileg, das vielen Generationen nicht möglich war und das auch derzeit bei weitem nicht allen Menschen der Welt zugestanden bekommen.
Denken Sie nur an Ihre eigene Berufsbiografie oder auch an die Ihrer Eltern, Großeltern etc. zurück: Welchen Einschränkungen waren Sie oder die Generationen vor Ihnen unterworfen?
Freie Berufswahl - inzwischen ein Grundrecht.
Das Recht auf freie Berufswahl ist in Deutschland erst durch die Verabschiedung des Grundgesetzes (1949) gesichert worden.
Das im Artikel 12 verankerte Grundrecht schützt die freie Wahl eines bestimmten Berufs, seine Ausübung sowie die Wahl eines bestimmten Arbeitsplatzes. Auch die Wahl der Ausbildungsstätte ist geschützt.
Weitere Informationen u.a. hier:
Berufsfreiheit: www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/grundrechte-305/254394/berufsfreiheit/
Zum Vergleich:
In der DDR gab es keine vergleichbare rechtliche Absicherung der Berufswahlfreiheit. Die DDR-Verfassung (1968) verwies im Art. 24 auf das „Recht auf Arbeit“ sowie die „Pflicht zur Arbeit“. Im planwirtschaftlichen System wurde die Anzahl der benötigten Fachkräfte in den einzelnen Berufen ermittelt. Auf dieser Grundlage wurden Kinder und Jugendliche in die entsprechenden Berufe gelenkt.
Weiteres hierzu u.a. hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Berufslenkung
Doch wie frei ist die Berufswahl heute wirklich?
Es ist eine enorme Errungenschaft, dass das Recht auf freie Berufswahl im Grundgesetz verankert ist. Angesichts vieler Faktoren lässt sich allerdings fragen: Wie frei ist die Berufswahl wirklich?
Das regional verfügbare Ausbildungs- und Studienangebot hängt beispielsweise stark vom Wohn- oder auch Wunschort ab: Es macht einen enormen Unterschied, ob ich beispielsweise in einem kleinen Dorf in Nordvorpommern oder in Rostock lebe.
Neben dem Ort sind es v.a. finanzielle, soziale und kulturelle Ressourcen, die einer/einem Jugendlichen bzw. seiner Familie zur Verfügung stehen, die die Wahlfreiheit mehr oder weniger gravierend einschränken können. Hierzu gehört auch die Frage, ob nach einer Ausbildung eine höher- bzw. weiterqualifizierende Bildungsmaßnahme möglich und auch unterstützt wird.
Im individuellen, jedoch familiär- & milieuspezifisch geprägten Abwägungsprozess spielen u.a. folgende Überlegungen eine zentrale Rolle:
• Wer aus meinem Familien-, Bekannten- und Freundeskreis hat eine Ausbildung gemacht, wer hat studiert? Wer ist ein Vorbild für mich? Wer unterstützt mich in meinem Vorhaben, eine Ausbildung zu machen/zu studieren?
• Möchte ich eine Ausbildung/ein Studium in der Nähe aufnehmen oder zieht es mich in die Ferne?
• Ist die schulische Ausbildung/das Studium für mich machbar? Ist es meine Familie finanziell machbar und hat sie auch die Bereitschaft, mich finanziell zu unterstützen (Stichworte: Lebenshaltungs-, Fahrt- und Unterbringungskosten, Schulgeld/Studiengebühren usw.)?
• Wie groß ist das Angebot an Ausbildungsplätzen in meiner Stadt bzw. in meiner Region?
• Wo sind die für meine Region zuständigen Berufsschulen, wo geeignete Unternehmen und Institutionen? Welche Ausbildungsgänge gibt es an der bzw. den beruflichen Schulen in der Nähe? An welcher Berufsschule wird mein gewünschter Ausbildungsberuf angeboten?
• Sind Ausbildungsbetrieb, Berufliche Schule oder auch der Studienort mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar? Ist Pendeln möglich oder benötige ich eine Unterkunft vor Ort?
• Welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind bei der Berufswahl zu berücksichtigen (z.B. Allergien, Fehlsichtigkeit, chronische Erkrankungen)?
• …
In der Begleitung von Jugendlichen im Berufswahlprozess ist es wichtig, das Finden von Antworten zu ermöglichen, dazu zu ermutigen sowie Jugendlichen und deren Familien Informationen beispielsweise zu verschiedenen Unterstützungsangeboten zu geben. So zählen u.a. zu den finanziellen Unterstützungsangeboten das Azubi-Ticket, Fahrt- und Unterbringungszuschüsse, Ausbildungsbegleitende Hilfen, Stipendien, Mentoringprogramme u.v.m.